Die Herzogliche Generaldirektion zu Pleß



Während des Feudalismus brauchte die Verwaltung der fürstlichen Ländereien keine allzu üppige Beamtenschaft. Als im 18. Jh. die Güter vom deutschen Fürstengeschlecht der Anhalt übernommen wurden, setzte Änderungen ein. Ursache hierfür war die außerlandwirtschaftliche Tätigkeit.



Der erste Anhalt, Friedrich Erdmann, schuf eine moderne Wirtschaftsverwaltung, die aus einigen Dutzend Angestellten bestand. Die meisten kamen aus Deutschland. 1806 wurde die Verwaltung reformiert, indem die Generaldirektion der Fürstlichen Güter gegründet wurde. Jahrzehntelang war sie in einem Gebäude in der heutigen Wojska-Polskiego-Straße untergebracht.

Mitte des 19. Jh. wurde das Geschlecht Hochberg Erbe der Plesser Güter. Der König von Preußen verlieh der Familie das Prädikat der Fürsten von Pleß. Der Nachfolger, Hans Heinrich XI., gilt als der effizienteste Verwalter der Plesser Güter. Er war mit dem deutschen Kaiser befreundet und bekleidete einige hochgestellte Ämter an dessem Hof. Es verwundert also nicht, dass der Kaiser oft in diesem Schloss weilte. Am Anfang des 20. Jh. erhob er Hans Heinrich XI. zum Herzog von Pleß.



Der Herzog baute die Industrie aus, insbesondere seine Steinkohlengruben. Die Folge war ein Personalzuwachs. Ein neues großes "Bürohaus" wurde notwendig. Ein solches Gebäude wurde 1902 fertiggestellt. Das neue Gebäude zeichnete sich im Pleß von damals durch seine Architektur und Größe aus.

Das Palais ist eine zweistöckige neugotische Anlage mit Satteldächern aus glasierten Dachziegeln. Die Fundamente bestehen aus gebrochenem Stein und sind 1 Meter stark. Die Ziegelmauern aus Klinker. Die Außenwände haben eine Stärke von 71 cm, Innenwände 40 cm. Abmessungen: 57,32 m x 25,57 m (Untergeschoss), 57 x 25,84 m (Erdgeschoss).



Das linke Foto stammt von 1936 und zeigt den östlichen Teil der Fassade mit dem Haupteingang. Bis Mitte des letzten Jahrhunderts war über dem Eingang ein steinernes Wappen der Hochberg angebracht. Das andere Foto ist eine Ansichtskarte aus den ersten Jahren des 20. Jhs. Es zeigt die Westfassade. Die vorne sichtbare Mauer und die Halle vor dem Nebeneingang waren vielleicht praktisch, aber sie passten kaum zur Architektur des Gebäudes. Sie wurden nach dem Zweiten Weltkrieg abgerissen.

Die Innenräume nach den Plänen von 1902

Nachstehend werden die Räume zur Zeit der Herzoglichen Generaldirektion dargestellt. Die Skizzen wurden auf Grund der Pläne aus dem Staatsarchiv Pleß angefertigt.



Untergeschoss: Das Haus ist vollständig unterkellert. Die Achse der Keller bildet ein 4,18 m breiter Korridor. Die Keller: 8 große Räume, 3 Küchen, der Heizraum der Zentralheizung, Toiletten, Portier-Dienstraum, Vorratskammern, Wirtschaftsräume.



Erdgeschoss: Die Hauptachse bildet ein 4,3 m breiter Korridor. Auf beiden Seiten 18 große Büroräume, Stiegenhaus, Toiletten. Bestimmung der Räume: Tresor, Kassen, kartographische Abteilung, Drainagebüro, Waldvermesser.



Erster Stock: Korridor wie im Erdgeschoss. Auf der Westseite Archive, Botenraum, Toiletten. Ostseite: Registratur, Telephonzentrale, Kanzlei, Warteraum des Sekretariats und der Kanzlei, Sekretariat des Generaldirektors (42 qm), Beratungssaal (45 qm), Sekretariat und Büro der Oberförsters.



Zweiter Stock: Anordnung der Räume wie im Erdgeschoss und ersten Stock. Es waren Buchhaltungsbüros und Aktensammlungen.

Einen genauen Plan des Untergeschosses kann man im Staatsarchiv Kattowitz, Abt. Pleß [Archiwum Państwowe w Katowicach, Oddział w Pszczynie], Bestand Archiwum Książąt Pszczyńskich, Signatur AKP XVIII -782, Plan des Erdgeschosses: AKP XVIII- 7781, Plan des ersten und zweiten Stockes AKP XVIII - 7771-2. Diese Materialien könnten sich als wichtige Hilfe bei einer Bestandsaufnahme erweisen.

Zur Geschichte des Gebäudes

1902-1914 und 1922-1945 war im Gebäude die Herzogliche Generaldirektion untergebracht.

Das Palais - eine Stätte, wo über das Schicksal der Soldaten, Völker und Staaten entschieden wurde.

Während des ersten Weltkrieges, vom Herbst 1914 bis Februar 1917, machte der Herzog von Pleß das Gebäude dem Großen Hauptquartier des deutschen Kaisers Wilhelm II. zugänglich. Der Kaiser selbst residierte im nahegelegenen herzoglichen Schloss. Vor einigen Jahren haben wir einen Versuch unternommen, die Verwendung der Räume während der Benutzung durch das Große Hauptquartier zu untersuchen.

Für uns war die Lage des Kabinetts Feldmarschall Paul von Hindenburgs, des Arbeitszimmers General von Ludendorffs und der weiteren Dienststellen interessant. Leider konnten und die deutschen Archive nicht helfen. Erst die Recherche im Plesser Archiv und in privaten Sammlungen erlaubten uns, dieses Problem zu lösen. Die entdeckten Akten bestätigten die Vermutung, dass sich die wichtigsten Stabsräume im ersten Stock befanden. Deswegen erstellten wir eine Skizze dieses Stockwerks mit Erklärungen zur Benützung der einzelnen Räume.



1/ Generalfeldmarschall Paul Ludwig Hans Anton von Beneckendorff und von Hindenburg (1847-1934), Teilnehmer des Deutschen Krieges (1866) und des Deutsch-Französischen Krieges (1870/71), 1914-1815 Oberbefehlshaber der Ostfront, übte großen Einfluss auf die Regierung und den Kaiser aus. 1925-1934 Reichspräsident.
2,4/ Gen. Erich Ludendorff (1863-1937), Militär und nationalistischer Politiker, zu Anfang des 1. Weltkrieges Oberbefehlshaber der 8. Armee in Ostpreußen, dann Stabschef an der Ostfront, 1916-1918 Oberquartiermeister; rechte Hand Hindenburgs, Befürworter des Totalen Krieges, Mitbegründer des Regentschaftskönigreichs Polen. Nach der Kapitulation im Exil in Schweden. Nach der Rückkehr unterstützte er (bis 1925) Adolf Hitler.
3/ Hindenburgs Adjutant, Hauptmann von Bismarck
5/ Hauptleute: Bulcke, Gabriel, v. Ilsemann und die Oberleutnante Thoemissen und v. Poseck
6/ Major v. Vothard-Bockelberg, Hauptmann Frhr v. D. Bussche Poten, Hauptmann Graf Dohna, Hauptmann Fischer
7/ Major Wetzell,
8/ der diensthabende Offizier
9/ Offiziersbüro: Hauptmann Iosupeit, Oberleutnant v. Pentz Freuenfeld
10/ Registratur, Feldwebel Lengfeld,
12-14/ Telephon- und Telegraphzentrale
17/ Kanzlei: Feldwebel: Kempin, Hubner, Corporale: Maenncher und Franke
18/ Major Wagner, Hauptmann von Harbon, Hauptmann Geyer, Hauptmann von Gossler
19/ Oberst Bauer
20/Oberst Frahnert, Hauptmann Hesse


Im Palais empfing Hindenburg zahlreiche Persönlichkeiten. Selbst der Kaiser besuchte ihn und die Generäle der Mittelmächte, u.a. General Enver Pascha - der Gründer des späteren modernen türkischen Staates. Mit großer Hochachtung empfing der Feldmarschall den bulgarischen Zaren Ferdinand mit dem Thronfolger Boris, die zu einer Besprechung mit Wilhelm II. nach Pleß kamen.

Einen ungezwungenen Charakter hatten die Treffen mit den Helden der Kämpfe an Land, zu Wasser und in der Luft: unter ihnen der berühmte deutsche Flieger Manfred Baron v. Richthofen, Sieger in 80 Luftkämpfen. Wenn die Wände des Kabinetts von Hindenburg sprechen könnten, würden wir viele Erzählungen hören, wer hier zu Gast war und was für Entscheidungen über das Schicksal von Soldaten und Völkern hier getroffen worden waren.



Jeden Morgen gingen Feldmarschall von Hindenburg und General von Ludendorff die Schipka-Gasse vom Palais zum herzoglichen Schloss, um dem Kaiser über die aktuelle Lage an den Fronten Bericht zu erstatten und mit ihm eine politisch-taktische Besprechung abzuhalten.

"Es war hier in Pleß und nicht in Berlin, wo Kaiser Wilhelm II. mit Feldmarschall Paul von Hindenburg und General Erich Ludendorff während des ersten Weltkrieges Stabsberatungen führte, während derer politische und militärische Entscheidungen von höchster historischer Bedeutung getroffen wurden. Von da ging das Telegramm des damaligen Außenministers Arthur Zimmermann aus, das den Krieg in Nordamerika hervorrufen sollte. Hier wurde auch die Entscheidung über den totalen Unterwasserkrieg im Atlantik gefällt. Ausführlich schreibt darüber die amerikanische Schriftstellerin Barbara Tuchman in "Das Telegramm von Zimmermann".

Vor einer Weile kamen der Chef des Generalstabes v. Hindenburg und General von Hindenburg (links) vom Palais ins Plesser Schloss. Sie brachten Landkarten mit der aktuellen Lage an den Fronten mit. Der Kaiser (Mitte) hört aufmerksam den Erklärungen des Feldmarschalls zu.



Der Aufenthalt von Kaiser Wilhelm II. in Pleß und die Verlegung des Großen Hauptquartiers dorthin bewogen die preußischen Zeitungen dazu, Pleß als "Klein-Berlin" zu bezeichnen. Für die deutschen Stadtbehörden war es eine große Ehre. Auf ihre Bitte änderte der Kaiser das alte Piastenwappen von Pleß in ein neues, mit den kaiserlichen Insignien. Ein Abschnitt der heutigen Bogedaina-Straße wurde in die Falkenhaynstraße umbenannt (zu Ehren des Vorgängers Hindenburgs als Chef des Generalstabs).

Vor dem Krieg wurde ein Versuch unternommen, an der Wand des Palais eine Gedenktafel für Hindenburg anzubringen, der damals Reichspräsident war, der aber nicht von Erfolg gekrönt war. Es schließt aber nicht aus, dass der neue Nutzer des Palais aus Prestigegründen die Räume mit den Tafeln "Kabinett des Feldmarschalls" und "Kabinett des Generals" kennzeichnet.

Die alliierte Regierungs- und Volksabstimmungskommission im Palais

1920-1922 verwaltete die Alliierte Regierungs- und Volksabstimmungskommission das schlesische Volksabstimmungsgebiet. Ihr ziviles und militärisches Personal bestand aus Franzosen, Briten und Italienern. Es wurde nach einem Sitz für die Kreiskontrollkommission der Alliierten gesucht. Und wieder wurde das Palais gewählt. Der Generaldirektor Dr. Nasse verließ zum zweiten Mal sein Kabinett im ersten Stock. Der Kreiskontrolleur, der italienische Major Caricati, nahm es in Beschlag. Von dort aus verwaltete er den großen Landkreis und entschied über die Angelegenheiten der Volksabstimmung. Im Juni 1921 wurde er von Oberst A. Verge abgelöst.



Infolge der Volksabstimmung und der schlesischen Aufstände wurde das Pleßer Land 1922 endgültig Polen zugewiesen. Am 27. 6. 1922 übergab Oberst Verge Dr. Lerch die Vollmacht zur Übernahme der Verwaltung und Bildung der polnischen Behörden im Landkreis. Die feierliche Übergabe ging um 8 Uhr früh vor dem Palais, d.h. vor dem Sitz der Kontrollkommission, von statten. Neben der Polizei der Wojewodschaft Schlesien stand die französischen Ehrengarde.

Die polnische Seite wurde in diesem feierlichen Moment durch den Bürgermeister von Pleß, Figna, zwei Stadträten und Dr. Lerch vertreten. Es wurde dabei ein Übergabeprotokoll unterzeichnet. Dann wurde die Flagge der Alliierten Kommission heruntergelassen und durch die polnische Flagge ersetzt. Dieser Moment ist auf der folgenden Abbildung dargestellt.



Vor dem Palais bei der Ablösung der Flagge der Alliierten Kommission durch die polnische Flagge. In der ersten Reihe stehen der Kreiskontrolleur Oberst A. Verge, hinter ihm ein französischer und ein britischer Offizier. Rechts davon steht Dr. Lerch, der erste polnische Landrat von Pleß, und an seiner Rechten wiederum der Pleßer Bürgermeister Jan Figna.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Seit Ende Januar bis März 1945 lieferte sich die deutsche Wehrmacht schwere Kämpfe mit den sowjetischen Truppen. Das kleine Pleßer Krankenhaus konnte nicht die Hunderten von verwundeten Rote-Armee-Soldaten aufnehmen. Deswegen wurde das Palais zu einem Lazarett. Unter den Dutzenden Verstorbenen war ein sowjetischer Offizier namens . Lenin.

Ab Juni 1945 fungierte das Gebäude als polnische Kaserne. Aus dieser Zeit stammt das Wärterhaus bei der Einfahrt zum Platz am Palais. In den 50erJahren wurden im Palais Büros der Versicherungsanstalt PZU, der Konsumgesellschaft PSS, eines geologischen Unternehmens und einer Schneidergenossenschaft untergebracht. Seit den 1960er Jahren bis 2000 gab es dort ein Krankenhaus. Bis Ende 2005 verfügte das Landratsamt über das Palais. 2007 verkaufte das Landratsamt auf einer Versteigerung das Palais einem privaten Käufer aus Australien.

Das Palais heute



Uitwerking: Zygmunt Orlik